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Ob Maschinenkomponenten aus Fernost, Textilien aus Bangladesch oder Kunststoffteile aus Osteuropa: Wer international beschafft, kommt an den Incoterms nicht vorbei. Richtig gewählt, vermeiden sie Missverständnisse, Verzögerungen und Zusatzkosten. Falsch gewählt, führen sie schnell zu Mehrbelastungen oder rechtlichen Unsicherheiten.
Der Begriff „Incoterms“ steht für „International Commercial Terms“ – ein Regelwerk zur Interpretation internationaler Lieferbedingungen, herausgegeben von der Internationalen Handelskammer (ICC) mit Sitz in Paris. Die Incoterms legen standardisiert fest, welche Partei (Verkäufer oder Käufer) welche Pflichten beim Transport, der Verladung, Versicherung, Ausfuhr-/Einfuhrabwicklung und Risikoübernahme übernimmt.
Das Ziel: Missverständnisse vermeiden. Denn ein einfacher Zusatz wie „FOB Shanghai“ im Vertrag regelt nicht nur den Lieferort, sondern auch die Kostenverteilung und den Gefahrenübergang zwischen den Vertragsparteien.
Für Unternehmen, die Waren beschaffen oder verkaufen, sind die Incoterms daher unverzichtbar. Insbesondere im Global Sourcing, wo unterschiedliche Rechtssysteme und Sprachen aufeinandertreffen.
Die aktuelle Version der Incoterms stammt aus dem Jahr 2020 und hat die Incoterms 2010 ersetzt. Der Hintergrund ist, dass die ICC das Regelwerk alle zehn Jahre überarbeitet, um es an aktuelle Handelsrealitäten anzupassen. Mit der Version 2020 wurden unter anderem folgende Änderungen vorgenommen:
Die frühere Klausel DAT (Delivered at Terminal) wurde ersetzt durch DPU (Delivered at Place Unloaded), um den Anwendungsbereich zu erweitern. Nun muss der Ort kein Terminal mehr sein.
Bei FCA (Free Carrier) ist es möglich, dem Verkäufer eine Transportdokumentation (On-Board-B/L) durch den Frachtführer zu verlangen, um etwa Akkreditiv-Vorgaben besser zu erfüllen.
Höhere Anforderungen an die Versicherung bei CIP (Carriage and Insurance Paid To) im Gegensatz zu CIF (Cost, Insurance and Freight), bei dem weiterhin eine Mindestdeckung reicht.
Klarere Strukturierung und verbesserte Sprache der Regeltexte zur besseren Anwendungspraxis.
Damit bieten die im Jahr 2020 aktualisierten Incoterms mehr Flexibilität und Transparenz – vorausgesetzt, sie werden korrekt angewendet und explizit im Vertrag benannt (z. B. „CIF Hamburg – Incoterms® 2020“).
Je nachdem, wie weit die Verpflichtung des Verkäufers reicht, lassen sich die Incoterms grob in vier Gruppen einteilen:
E-Klausel: Nur Bereitstellung der Ware (EXW)
F-Klauseln: Käufer organisiert Haupttransport (FCA, FAS, FOB)
C-Klauseln: Verkäufer organisiert und bezahlt den Transport, trägt aber kein Risiko (CFR, CIF, CPT, CIP)
D-Klauseln: Verkäufer trägt die volle Verantwortung bis zum Zielort (DAP, DPU, DDP)
Der Verkäufer stellt die Ware am eigenen Standort bereit. Alle weiteren Kosten und Risiken – von der Abholung bis zur Verzollung – trägt der Käufer jedoch selbst. EXW ist einfach, aber oft ungeeignet, wenn der Käufer keine Erfahrung mit Ausfuhren hat.
Der Verkäufer übergibt die Ware einem benannten Frachtführer an einem vereinbarten Ort. FCA ist flexibler als EXW, weil auch Verladungen an Häfen oder Terminals abgedeckt sind. Zudem kann ein On-Board-Dokument verlangt werden, was ideal bei Akkreditiven ist.
Während die Ware am Kai des Verschiffungshafens neben das Schiff gestellt wird, erfolgt das Verladen auf das Schiff durch den Käufer. Diese Klausel ist nur für den Schiffstransport geeignet, z. B. bei Massengut.
Der Verkäufer trägt die Kosten und Risiken bis zur Verladung der Ware auf das Schiff. Ab dann ist der Käufer verantwortlich. Wichtig: FOB eignet sich ausschließlich für die Verschiffung loser Güter, nicht für Containerware.
Der Verkäufer organisiert und bezahlt den Transport bis zum Bestimmungshafen, aber das Risiko geht bereits mit der Verladung auf das Schiff auf den Käufer über. Eine Versicherungspflicht besteht hierbei nicht.
Ergänzt CFR um eine Mindestversicherungspflicht zu Gunsten des Käufers. Dennoch ist dieser ab Bord des Schiffs für Schäden verantwortlich und sollte daher prüfen, ob die angebotene Versicherung ausreicht.
Ähnlich wie CFR, aber für alle Transportarten geeignet. Der Verkäufer bezahlt den Transport bis zum Bestimmungsort, trägt jedoch nur bis zur Übergabe an den ersten Frachtführenden das Risiko.
CIP erweitert CPT um eine umfangreiche Versicherungspflicht. Seit 2020 muss der Verkäufer eine Versicherung mit höherer Deckung abschließen, was vor allem bei höherwertigen Gütern empfehlenswert ist.
Der Verkäufer liefert die Ware bis zum vereinbarten Ort. Der Käufer übernimmt dort die Entladung und Einfuhrverzollung. DAP ist weit verbreitet, bietet dem Käufer aber wenig Flexibilität.
Wie DAP, aber mit zusätzlicher Entladepflicht des Verkäufers. Diese Klausel ist ideal, wenn die Ware an einem bestimmten Ort abgeladen übergeben werden soll, z. B. auf einer Baustelle.
Bei der umfangreichsten Pflicht liefert der Verkäufer die Ware verzollt bis zum Bestimmungsort. Für den Käufer ist DDP damit bequem, für den Verkäufer jedoch risikoreich, da er sich mit dem Einfuhrrecht des Ziellandes auskennen muss.
Die Wahl der richtigen Incoterm-Klausel beeinflusst direkt Ihre Kosten, Zuständigkeiten und Risiken und damit die Effizienz Ihrer gesamten Lieferkette. Gerade bei internationalen Projekten schafft sie klare Verantwortlichkeiten gegenüber Speditionen, Zollbehörden und Vertragspartnern. Für eine fundierte Entscheidung sollten Sie vier zentrale Aspekte berücksichtigen:
Einige Incoterms wie FOB, FAS, CFR oder CIF sind ausschließlich für den Seeverkehr gedacht – ideal für Massengüter, ungeeignet für Containerlogistik. Wer auf multimodale Transporte setzt (z. B. Lkw, Bahn, Luftfracht), sollte auf FCA, CPT oder CIP ausweichen. Diese Klauseln lassen sich flexibel in moderne Lieferketten integrieren.
Luftfracht, Seefracht oder Bahnfracht: Für einen sicheren und effizienten Versand Ihrer Produkte ist die Wahl der richtigen Frachtart entscheidend. Mehr dazu in unserem Frachtarten-Blogartikel.
Erfahrene Unternehmen mit eigener Logistik und Zollroutine können EXW nutzen, tragen dann aber die volle Verantwortung ab Werk. Unerfahrene Einkäufer sollten besser FCA wählen: Hier kümmert sich der Verkäufer zumindest um die Exportabwicklung. Das reduziert Risiken bei Dokumenten und Ausfuhrformalitäten.
Kontrolle und Risiko
Wer Transparenz im Transportverlauf und Zugriff auf Dienstleister wünscht, sollte eine Käufer-gesteuerte Variante wie FCA oder CPT wählen. Bei CIP übernimmt der Verkäufer zusätzlich die Versicherung bis zum Bestimmungsort. Ideal für hochwertige oder zeitkritische Lieferungen mit überschaubarem Aufwand.
Kostenverteilung
Bei DDP trägt der Verkäufer alle Kosten bis zur Einfuhr im Zielland, was bequem für Käufer, aber teuer und risikobehaftet für Verkäufer ist. Für gelegentliche Importe oder Kleinsendungen kann das sinnvoll sein, langfristig empfiehlt sich jedoch ein ausgewogeneres Modell. DAP etwa überträgt die Zollabwicklung auf den Käufer, während der Verkäufer den Transport organisiert.
Verwenden Sie stets die Formulierung „Incoterms® 2020“, um Missverständnisse mit früheren Versionen zu vermeiden.
Nicht jeder Standardvertrag passt zu Ihrer Lieferbeziehung. Prüfen Sie, ob die Klausel wirklich zu Ihrer Logistikstruktur passt.
Auch innerhalb einer Incoterm-Klausel kann es zu Interpretationsspielräumen kommen – z. B. bei der Verantwortung für Exportdokumente oder Versicherung.
FOB ist für Stückgut auf Paletten ungeeignet. Nutzen Sie bei Containerfracht lieber FCA, CPT oder CIP.
Die Incoterms regeln nicht alles. Klären Sie vertraglich auch Lieferfristen, Verpackungsanforderungen oder Zahlungsbedingungen.
Viele Kunden von Line Up lassen komplexe Komponenten oder komplette Produkte in Fernost fertigen. Dabei möchten Sie gleichzeitig Kosten optimieren, Risiken begrenzen und flexible Lieferoptionen nutzen. In solchen Fällen haben sich insbesondere folgende Incoterms bewährt:
FCA: Ideal für Kunden, die den Haupttransport selbst organisieren möchten, aber den Hersteller mit der Exportabwicklung beauftragen.
CIP: Die richtige Wahl bei hochwertigen Gütern, wenn zusätzlich zum Transport auch eine solide Versicherung erforderlich ist.
DAP: Sinnvoll für Unternehmen, die den Versand bis vor die eigene Haustür wünschen, aber die Verzollung im eigenen Land selbst übernehmen möchten.
Alle drei Klauseln bieten eine klare Aufgabenverteilung, ermöglichen abgestimmte Prozesse mit Speditionen und schaffen Transparenz in der Lieferkette mit einem moderaten Risiko.
Die Wahl des passenden Incoterms ist kein formeller Akt, sondern eine strategische Entscheidung, die direkten Einfluss auf Ihre Kosten, Risiken und Lieferzeiten hat.
Als erfahrener Partner im internationalen Beschaffungsmanagement hilft Line Up Ihnen, die passende Klausel zu wählen, Verträge sauber aufzusetzen und Risiken zu minimieren – inklusive Logistikkoordination, Importabwicklung und Lieferantenmanagement.
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